15. Das Geheimnis der Geburt
Wenn die Menschen sagen, daß in der Art der Verteilung der Geburten eine große Ungerechtigkeit liegt, so wissen sie nicht, was sie damit tun!
Mit großer Beharrlichkeit behauptet der eine: „Wenn es eine Gerechtigkeit gibt, wie darf ein Kind dann mit einer erblichen Krankheit belastet geboren werden! Das unschuldige Kind muß die Sünden der Eltern mittragen.“
Der andere: „Das eine Kind wird in Reichtum, das andere in bitterer Armut und Not geboren. Dabei kann kein Glaube an Gerechtigkeit aufkommen.“
Oder: „Angenommen, den Eltern soll eine Strafe werden, so ist es nicht richtig, daß dies durch Krankheit und Tod eines Kindes geschieht. Das Kind muß doch dabei unschuldig leiden.“
Diese und ähnliche Reden schwirren zu Tausenden unter der Menschheit. Selbst ernsthaft Suchende zerbrechen sich manchmal den Kopf darüber.
Mit der einfachen Erklärung der „unerforschlichen Wege Gottes, die alles zum Besten führen“, ist der Drang nach dem „Warum“ nicht aus der Welt geschafft. Wer damit zufrieden sein soll, muß sich stumpf darein ergeben, oder jeden fragenden Gedanken sofort als Unrecht unterdrücken.
So ist es nicht gewollt! Durch Fragen findet man den rechten Weg. Stumpfsinn oder gewaltsames Zurückdrängen erinnert nur an Sklaventum. Gott aber will nicht Sklaven! Er will nicht das stumpfsinnige Sichfügen, sondern freies, bewußtes Aufwärtsschauen. Seine herrlichen, weisen Einrichtungen brauchen nicht in mystisches Dunkel gehüllt zu sein, sondern gewinnen an ihrer erhabenen, unantastbaren Größe und Vollkommenheit, wenn sie frei vor uns liegen! Unwandelbar und unbestechlich, in gleichmäßiger Ruhe und Sicherheit verrichten sie unaufhaltsam ihr ewiges Wirken. Sie kümmern sich nicht um Groll oder Anerkennung der Menschen, nicht um ihre Unwissenheit, sondern sie geben jedem einzelnen bis auf das Allerfeinste abgetönt in reifen Früchten das zurück, was er als Saat ausstreute.
„Gottes Mühlen mahlen langsam, aber sicher“, heißt es in dem Volksmunde so treffend über dieses Weben unbedingter Wechselwirkung in der ganzen Schöpfung, deren unverrückbare Gesetze die Gerechtigkeit Gottes in sich tragen und auswirken. Es rieselt, fließt und strömt, und ergießt sich über alle Menschen, gleichviel, ob diese es nun wünschen oder nicht, ob sie sich hingeben oder dagegen sträuben, sie müssen es empfangen als gerechte Strafe und Vergebung, oder Lohn in der Erhebung.
Wenn ein Murrender oder Zweifelnder nur ein einziges Mal einen Blick werfen könnte in das feinstoffliche, von straffem Geist durchzogene und getragene Wogen und Weben, das die ganze Schöpfung durchdringt, umfaßt, in dem sie ruht, das selbst ein Stück der Schöpfung ist, lebendig als ein ewig treibender Webstuhl Gottes, er würde sofort verschämt verstummen und bestürzt die Anmaßung erkennen, die in seinen Worten liegt. Die ruhige Erhabenheit und Sicherheit, die er erschaut, zwingt ihn abbittend in den Staub. Wie klein hat er doch seinen Gott gedacht! Und welche ungeheuere Größe findet er in dessen Werken. Er sieht dann ein, daß er in seinen höchsten irdischen Begriffen nur versuchen konnte, Gott herabzuzerren, die Vollkommenheit des großen Werkes zu schmälern mit dem vergeblichen Bemühen, es hineinzuzwängen in kleinliche Enge, die Verstandeszucht erschuf, die sich nie über Raum und Zeit erheben kann. Der Mensch darf nicht vergessen, daß er in dem Werke Gottes steht, selbst ein Stück des Werkes ist, und somit unbedingt auch den Gesetzen dieses Werkes unterworfen bleibt.
Das Werk aber umfaßt nicht nur irdischen Augen sichtbare Dinge, sondern auch die feinstoffliche Welt, die den größten Teil des eigentlichen Menschenseins und Menschenwirkens in sich trägt. Die jeweiligen Erdenleben sind nur kleine Teile davon, aber immer große Wendepunkte.
Die irdische Geburt bildet stets nur den Beginn eines besonderen Abschnittes in dem ganzen Sein eines Menschen, nicht aber dessen Anfang überhaupt.
Beginnt der Mensch als solcher seinen Lauf in der Schöpfung, so steht er frei, ohne Schicksalsfäden, die hinausziehen in die feinstoffliche Welt, durch Anziehungskraft der Gleichart unterwegs immer stärker werden, sich mit anderen kreuzen, ineinanderweben und zurückwirken auf den Urheber, mit dem sie verbunden blieben, so das Schicksal oder Karma mit sich führend. Die Auswirkungen gleichzeitig zurückströmender Fäden fließen dann ineinander, wodurch ursprünglich scharf ausgeprägte Farben andere Abtönungen erhalten und neue, vereinte Bilder bringen. *(Vortrag Nr. 6: Schicksal) Die einzelnen Fäden bilden den Weg der Rückwirkungen so lange, bis der Urheber in seinem Innenwesen keinen Anhaltspunkt mehr für die gleiche Art bietet, diesen Weg also von sich aus nicht mehr pflegt und frisch hält, wodurch sich diese Fäden nicht mehr festhalten können, nicht mehr einzuhaken vermögen und verdorrend von ihm abfallen müssen, gleichviel, ob es nun Übles oder Gutes ist.
Jeder Schicksalsfaden wird also durch den Willensakt bei dem Entschluß zu einer Handlung feinstofflich geformt, zieht hinaus, bleibt aber trotzdem in dem Urheber verankert und bildet so den sicheren Weg zu gleichen Arten, diese stärkend, gleichzeitig aber auch wieder von diesen Stärke erhaltend, die den Weg zurückläuft zu dem Ausgangspunkte. In diesem Vorgange liegt die Hilfe, die den nach Gutem Strebenden kommt, wie es verheißen ist, oder aber der Umstand, daß „Böses fortzeugend Böses muß gebären“ *(Vortrag Nr. 30: Der Mensch und sein freier Wille).
Jedem Menschen bringen nun die Rückwirkungen dieser laufenden Fäden, zu denen er täglich neue knüpft, sein Schicksal, das er sich selbst geschaffen hat und dem er unterworfen ist. Jede Willkür ist dabei ausgeschlossen, also auch jede Ungerechtigkeit. Das Karma, das ein Mensch mit sich trägt und das wie eine einseitige Vorausbestimmung erscheint, ist in Wirklichkeit nur die unbedingte Folge seiner Vergangenheit, soweit diese sich in der Wechselwirkung noch nicht ausgelöst hat.
Der wirkliche Anfang des Seins eines Menschen ist immer gut, und bei vielen auch das Ende, mit Ausnahme derer, die durch sich selbst verloren gehen, indem sie zuerst von sich aus durch ihre Entschlüsse dem Übel die Hand reichten, das sie dann ganz ins Verderben zog. Die Wechselfälle liegen immer nur in der Zwischenzeit, der Zeit des inneren Werdens und Reifens.
Der Mensch formt sich also stets sein zukünftiges Leben selbst. Er liefert die Fäden und bestimmt somit die Farbe und das Muster des Gewandes, das der Webstuhl Gottes durch das Gesetz der Wechselwirkung für ihn webt.
Weit zurück liegen oft die Ursachen, die bestimmend wirken für die Verhältnisse, in die eine Seele hineingeboren wird, ebenso für die Zeit, unter deren Einflüssen das Kind in die irdische Welt tritt, damit diese dann während seines Erdenwallens dauernd einwirkt und das erzielt, was zum Auslösen, Abschleifen, Abstoßen und Weiterbilden gerade dieser Seele notwendig ist.
Aber auch das geschieht nicht einseitig nur für das Kind, sondern die Fäden spinnen sich selbsttätig so, daß in dem irdischen auch eine Wechselwirkung liegt. Die Eltern geben dem Kinde gerade das, was es zu seiner Fortentwickelung braucht, ebenso umgekehrt das Kind den Eltern, sei es nun Gutes oder Übles; denn zur Fortentwicklung und zum Aufschwunge gehört natürlich auch das Freiwerden von einem Übel durch Ausleben desselben, wodurch es als solches erkannt und abgestoßen wird. Und die Gelegenheit dazu bringt stets die Wechselwirkung. Ohne diese würde der Mensch nie wirklich frei werden können von Geschehenem. Also liegt in den Gesetzen der Wechselwirkung als großes Gnadengeschenk der Weg zur Freiheit oder zum Aufstiege. Es kann daher von einer Strafe überhaupt nicht gesprochen werden. Strafe ist ein falscher Ausdruck, da ja gerade darin die gewaltigste Liebe liegt, die dargereichte Hand des Schöpfers zur Vergebung und Befreiung.
Das irdische Kommen des Menschen setzt sich zusammen aus Zeugung, Inkarnation und Gebären. Die Inkarnation ist der eigentliche Eintritt des Menschen in das irdische Sein *(Vortrag Nr. 7: Die Erschaffung des Menschen).
Tausendfältig sind nun die Fäden, die mitwirken zur Bestimmung einer Inkarnation. Immer aber ist es auch in diesen Geschehnissen der Schöpfung eine bis zum allerfeinsten abgetönte Gerechtigkeit, die sich auswirkt und zu einer Förderung aller dabei Beteiligten treibt.
Dadurch wird die Geburt eines Kindes zu noch viel Heiligerem, Wichtigerem und Wertvollerem, als es im allgemeinen angenommen ist. Geschieht doch damit gleichzeitig dem Kinde, den Eltern und auch sogar etwaigen Geschwistern und anderen mit dem Kinde in Berührung kommenden Menschen mit dessen Eintreten in die irdische Welt eine neue, besondere Gnade des Schöpfers, indem sie damit alle Gelegenheit erhalten, in irgendeiner Weise weiter zu kommen. Den Eltern kann durch notwendig werdende Krankenpflege, schwere Sorge oder Kummer die Gelegenheit zu geistigem Gewinn gegeben sein, sei es nun als Arznei, als einfaches Mittel zum Zweck, oder auch als wirkliche Ablösung einer alten Schuld, vielleicht sogar als Vorablösung eines drohenden Karmas. Denn es geschieht sehr oft, daß bei schon eingesetztem guten Wollen eines Menschen dessen eigene schwere Krankheit, die ihn selbst nach dem Gesetz der Wechselwirkung als Karma treffen soll, aus Gnade in Folge seines guten Wollens vorabgelöst wird durch aus freiem Entschlusse heraus erfolgende aufopfernde Pflege eines anderen oder eines eigenen Kindes. Eine wirkliche Ablösung kann ja nur in der Empfindung erfolgen, in dem vollen Erleben. Bei Ausübung einer echt liebenden Pflege nun ist das Erleben oft noch größer als bei eigener Krankheit. Es ist tiefer in dem Bangen, dem Schmerze während der Krankheit des Kindes oder eines anderen, den man wirklich als seinen lieben Nächsten betrachtet. Ebenso tief auch die Freude bei dessen Genesen. Und dieses starke Erleben allein drückt seine Spuren fest in die Empfindung, in den geistigen Menschen, formt ihn damit anders und schneidet mit dieser Umformung Schicksalsfäden ab, die ihn sonst noch getroffen hätten. Durch dieses Abschneiden oder Fallenlassen schnellen die Fäden wie gespannter Gummi nach der Gegenseite zurück, den gleichartigen feinstofflichen Sammelstellen, von deren Anziehungskraft nunmehr einseitig gezogen. Damit ist jede weitere Wirkung auf den ungeformten Menschen ausgeschlossen, da der Verbindungsweg dazu fehlt.
So gibt es tausende Arten von Ablösungen in dieser Form, wenn ein Mensch freiwillig und gern irgendeine Pflicht anderen gegenüber auf sich nimmt, aus Liebe oder aus der Liebe verwandtem Mitleid heraus.
Jesus hat darin in seinen Gleichnissen die besten Vorbilder gezeigt. Ebenso in seiner Bergpredigt und allen anderen Reden ganz deutlich auf die guten Erfolge derartiger Ausübungen hingewiesen. Er sprach dabei immer von dem „Nächsten“ und zeigte damit den besten Weg zur Ablösung der Karmas und zum Aufstiege in schlichtester, lebenswahrster Form. „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst“, mahnte er und gab damit den Schlüssel zu dem Tore alles Aufsteigens. Es muß sich dabei nicht immer um Krankheit handeln. Die Kinder, ihre notwendige Pflege und Erziehung, geben auf die natürlichste Art so viele Gelegenheiten, daß sie alles in sich bergen, was überhaupt nur als Ablösung in Betracht kommen kann. Und deshalb bringen Kinder Segen, gleichviel, wie sie geboren und entwickelt sind!
Das, was den Eltern gilt, gilt auch Geschwistern und allen, die viel mit Kindern in Berührung kommen. Auch diese haben Gelegenheiten, durch den neuen Erdenbürger zu gewinnen, indem sie sich bemühen, sei es auch nur durch Ablegung übler Eigenschaften oder ähnlicher Dinge, in Geduld, in sorgsamen Hilfeleistungen verschiedenster Art.
Dem Kinde selbst aber ist nicht weniger geholfen. Jeder ist durch die Geburt vor die Möglichkeit gestellt, ein gewaltiges Stück Weg aufwärts zu kommen! Wo es nicht geschieht, ist der Betreffende selbst schuld daran. Dann hat er nicht gewollt. Deshalb ist jede Geburt als ein gütiges Gottesgeschenk zu betrachten, das gleichmäßig zur Verteilung kommt. Auch wer nun selbst keine Kinder hat, und nimmt ein fremdes Kind zu sich, dem ist der Segen nicht verkürzt, sondern nur noch größer durch die Tat der Annahme, wenn diese um des Kindes willen erfolgt und nicht zur eigenen Befriedigung.
Bei einer gewöhnlichen Inkarnierung nun spielt die Anziehungskraft der geistigen Gleichart als mitwirkend bei der Wechselwirkung eine führende Rolle. Eigenschaften, die als ererbt angesehen werden, sind in Wirklichkeit nicht vererbt, sondern lediglich auf diese Anziehungskraft zurückzuführen. Es ist nichts geistig von Mutter oder Vater Ererbtes dabei, da das Kind ein ebenso abgeschlossener Mensch für sich ist, wie diese selbst, nur gleiche Arten in sich trägt, durch die er sich angezogen fühlte.
Doch nicht allein diese Anziehungskraft der Gleichart ist es, die bei der Inkarnierung ausschlaggebend wirkt, sondern es sprechen auch noch andere laufende Schicksalsfäden mit, an die die zu inkarnierende Seele gebunden ist und die vielleicht in irgendeiner Weise mit einem Angehörigen der Familie verknüpft sind, in die sie geführt wird. Alles das wirkt mit, zieht und führt zuletzt die Inkarnation herbei.
Anders aber ist es, wenn eine Seele eine freiwillige Mission *(Sendung, Aufgabe) auf sich nimmt, um entweder bestimmten irdischen Menschen zu helfen oder an einem Hilfswerke für die ganze Menschheit mitzuwirken. Dann nimmt eine Seele auch alles vorher gewollt auf sich, was sie auf Erden trifft, wodurch ebensowenig von Ungerechtigkeit gesprochen werden kann. Und der Lohn muß ihr ja in der Folge der Wechselwirkung dafür werden, wenn alles in aufopfernder Liebe geschieht, die aber wiederum nicht nach dem Lohne fragt. In Familien, in denen erbliche Krankheiten sind, kommen Seelen zur Inkarnation, die diese Krankheiten durch Wechselwirkung zur Ablösung, Läuterung oder zum Vorwärtskommen brauchen.
Die führenden und haltenden Fäden lassen eine falsche, also ungerechte Inkarnation gar nicht zu. Sie schließen jeden Irrtum darin aus. Es wäre der Versuch des Schwimmens gegen einen Strom, der mit eiserner, unverrückbarer Gewalt seine geordneten Bahnen fließt, und jeden Widerstand von vornherein ausschließt, so daß es gar nicht einmal zu einem Versuche kommen kann. Unter genauer Beachtung seiner Eigenschaften aber spendet er nur Segen.
Und Beachtung findet alles auch bei freiwilligen Inkarnationen, bei denen die Krankheiten freiwillig zur Erreichung eines bestimmten Zweckes übernommen werden. Wenn vielleicht der Vater oder die Mutter durch eine Schuld die Krankheit auf sich lud, sei es auch nur durch Nichtbeachtung der natürlichen Gesetze, die eine unbedingte Rücksichtnahme auf Gesunderhaltung des anvertrauten Körpers fordern, so wird der Schmerz darüber, diese Krankheit auch wieder an dem Kinde zu sehen, schon eine Sühne in sich tragen, die zur Läuterung hinführt, sobald der Schmerz echt empfunden wird.
Besondere Beispiele anzuführen hat wenig Zweck, da jede einzelne Geburt durch die vielverschlungenen Schicksalsfäden ein neues Bild ergeben würde, abweichend von den anderen, und sogar jede Gleichart sich durch die feinen Abtönungen der Wechselwirkungen in ihren Mischungen in tausendfältigen Abänderungen zeigen muß.
Nur ein einfaches Beispiel sei gebracht: Eine Mutter liebt ihren Sohn derart, daß sie ihn mit allen Mitteln verhindert, durch eine Heirat von ihr zu gehen. Sie fesselt ihn dauernd an sich. Diese Liebe ist falsch, rein egoistisch, selbstsüchtig, auch wenn die Mutter nach ihrer Meinung alles bietet, um dem Sohne das Erdenleben so schön wie möglich zu machen. Sie hat mit ihrer selbstsüchtigen Liebe zu Unrecht in das Leben ihres Sohnes eingegriffen. Die wahre Liebe denkt nie an sich selbst, sondern immer nur zugunsten des geliebten anderen und handelt darnach, auch wenn es mit eigener Entsagung verknüpft ist. Die Stunde der Mutter kommt, da sie abgerufen wird. Der Sohn steht nun allein. Es ist für ihn zu spät geworden, um noch den freudigen Schwung zur Erfüllung seiner eigenen Wünsche aufzubringen, den die Jugend verleiht. Trotz allem hat er dabei noch etwas gewonnen; denn er löst durch die herbeigeführte Entsagung irgendetwas aus. Sei es nun eine Gleichart aus seinem früheren Sein, womit er gleichzeitig der inneren Vereinsamung in einer Ehe ausgewichen ist, die ihn sonst bei Verheiratung hätte treffen müssen, oder irgendetwas anderes. Es gibt in solchen Dingen nur Gewinn für ihn. Die Mutter aber hat ihre selbstsüchtige Liebe mit hinübergenommen. Die Anziehungskraft geistiger Gleichart zieht sie deshalb unwiderstehlich zu Menschen hin mit gleichen Eigenschaften, da sie in deren Nähe die Möglichkeit findet, in dem Empfindungsleben solcher Menschen einen kleinen Teil ihrer eigenen Leidenschaft mitempfinden zu können, wenn diese ihre selbstsüchtige Liebe anderen gegenüber ausüben. Dadurch bleibt sie erdgebunden. Wenn nun bei den Menschen, in deren Nähe sie sich dauernd befindet, eine Zeugung erfolgt, kommt sie durch diese Bindung des sich geistig Aneinanderkettens zur Inkarnation. Dann wendet sich das Blatt. Sie muß nun als Kind unter der gleichen Eigenschaft des Vaters oder der Mutter dasselbe erleiden, was sie einst ihr Kind erleiden ließ. Sie kann sich nicht lösen von ihrem Elternhause trotz ihres Verlangens und der sich bietenden Gelegenheiten. Damit wird ihre Schuld getilgt, indem sie durch das Erleben an sich selbst derartige Eigenschaften als Unrecht erkennt und damit davon befreit wird.
Durch die Verbindung mit dem grobstofflichen Körper, also die Inkarnation, wird jedem Menschen eine Binde vorgelegt, die ihn hindert, sein rückwärtiges Sein zu überschauen. Auch das ist, wie alles Geschehen in der Schöpfung, nur zu dem Vorteile des Betreffenden. Es liegt darin wieder die Weisheit und die Liebe des Schöpfers. Würde sich ein jeder auf das frühere Sein genau besinnen, so bliebe er in seinem neuen Erdenleben nur ruhiger Beobachter, danebenstehend, in dem Bewußtsein, einen Fortschritt damit zu gewinnen oder etwas abzulösen, worin ebenfalls nur Fortschritt liegt. Es würde aber gerade dadurch dann für ihn kein Vorwärtskommen werden, sondern vielmehr eine große Gefahr des Abwärtsgleitens bringen. Das Erdenleben soll wirklich erlebt werden, wenn es Zweck haben soll. Nur was innerlich mit allen Höhen und Tiefen durchgelebt, also durchempfunden wird, hat man sich zu Eigen gemacht. Wird ein Mensch von vornherein die genaue Richtung stets klar wüßte, die ihm nützlich ist, so gäbe es für ihn kein Erwägen, kein Entscheiden. Dadurch könnte er wiederum keine Kraft und keine Selbständigkeit gewinnen, die er unbedingt notwendig hat. So aber nimmt er jede Lage seines Erdenlebens wirklicher. Jedes wirklich Erlebte prägt Eindrücke fest in die Empfindung ein, in das Unvergängliche, das der Mensch mit hinübernimmt bei seiner Wandlung als sein eigen, als ein Stück von ihm selbst, neu nach den Eindrücken geformt. Aber auch nur das wirklich Erlebte, alles andere erlischt mit dem irdischen Tode. Das Erlebte aber bleibt als abgeklärter Hauptinhalt des Erdendaseins sein Gewinn! Zu dem Erlebten gehört nicht alles Erlernte. Sondern von dem Erlernten nur das, was man sich davon durch Erleben zu eigen machte. Der ganze übrige Wust des Erlernten, wofür so mancher Mensch sein ganzes Erdendasein opfert, bleibt als Spreu zurück. Deshalb kann jeder Augenblick des Lebens nie ernst genug genommen werden, damit durch die Gedanken, Worte und Werke starke Lebenswärme strömt, sie nicht zu leeren Gewohnheiten herabsinken.
Das neugeborene Kind erscheint nun durch die bei der Inkarnierung vorgelegte Binde als vollkommen unwissend und wird deshalb irrtümlich auch für unschuldig angesehen. Dabei bringt es oft ein gewaltiges Karma mit, das ihm Gelegenheiten bietet, frühere Irrwege auszulösen in dem Ausleben. Karma ist in der Vorausbestimmung nur die notwendige Folge des Geschehenen. Bei Missionen eine freiwillige Übernahme, um damit das irdische Verständnis und die irdische Reife zur Erfüllung der Mission zu erlangen, soweit es nicht zur Mission selbst gehört.
Deshalb sollte der Mensch nicht mehr murren über Ungerechtigkeit bei den Geburten, sondern dankbar zu dem Schöpfer blicken, der mit jeder einzelnen Geburt nur neue Gnaden spendet!